Effectuation – wer wurschtelt, hat Recht

Es roch nach Kaffee und Erwartungen, als Stefan Verhey am 15.07.2016 im Element Café in München seine Veranstaltungsreihe „inspiread.me“ mit dem Thema Effectuation begann. 15 Teilnehmer lauschten seinen gut verständlichen Ausführungen, fragten, diskutierten, tauschten sich aus und knisterten ob der Aha-Momente, kurz: wir effektuierten.

Was genau das ist?

Effectuation ist eine Entscheidungfindungsmethode, mit deren Hilfe Du in ungewissen Gefilden sicher handelst. Und Hand aufs Herz: Die überwiegende Mehrheit Deiner Lebenssituationen ist unsicher und instabil. Pläne, Ziele und Road Maps ändern daran nichts.

Denn der Zufall – das Unvorhersehbare und Ungreifbare – kommt Dir ein ums andere Mal dazwischen. Effectuation trägt dem Rechnung, indem es (Da-)Zwischenräume bewusst öffnet und Zufall als das interpretiert, was es ist: Dir fällt etwas zu. Warum es also nicht nutzen?

So effektuierst Du

Es gibt vier Prinzipien beim Effektuieren. Diese wurden nicht entwickelt, sondern aus den Vorgehensweisen erfolgreicher Unternehmer extrahiert.

1.) Die Mittel-Orientierung

Als Effektuierer fragst Du nicht, was Du brauchst, um ein Ziel zu erreichen. Du fragst, welche Fähigkeiten Du besitzt, was Du kannst und magst, wen Du kennst und welche Mittel Dir zur Verfügung stehen. Ausgangspunkt ist nicht ein zu erreichendes Ziel, sondern alles, wozu Du konkret Zugang hast.

2.) Der leistbare Verlust

Welche dieser Mittel und Zugänge bist Du bereit zu verlieren? Wie viel Zeit darf Dir die Umsetzung Deiner Möglichkeiten kosten, eingedenk der Tatsache, dass Du dann für andere Dinge keine Zeit hast? Wie viel Geld und wie viele schlaflose Nächte? Wie viele Xing-Kontakte bist Du bereit einzubüßen, wenn Du diesen Text teilst? Der leistbare Verlust gibt an, was Du alles in Kauf nehmen wirst, sowohl monetär als auch sozial.

3.) Jeder kann Dein Partner sein

Du brauchst unbedingt einen Vertriebler für Deine Geschäftsidee? Nein. Du erzählst Freunden, Bekannten, Meetup-Teilnehmern von Deiner Idee. Jeder, der daraufhin mitmachen will, kann mitmachen. Denn jeder hat Fähigkeiten und Zugänge, die Ihr gemeinsam produktiv nutzen könnt. Vielleicht triffst Du jemanden, der Portugiesisch kann. E voilà schaltet Ihr Adwords-Kampagnen auf Portugiesisch und schaut, was passiert

4.) Das Zulassen von Zufällen

Sicherheiten sind unzulässig. Pläne werden nicht durchkreuzt, wohl aber bereichert. Geradeaus läuft sich über Umwege leichter. Das heißt, Du kannst Zufälle nicht verhindern. Demnach kannst Du sie getrost zulassen und mit einbeziehen.

Übrigens musst Du die vier Prinzipien nicht lernen. Denn sie sind schon in Dir. Nur heißen sie dann anders: friemeln, frickeln, murkeln, wurschteln.

Klingt nach legitimiertem Opportunismus?

Beim Gedanken ans Wurschteln und Frickeln sträubt sich alles in Dir? Das ging mir auch so. Während ich Stefan zuhörte und den Kaffeeduft um mich herum genoss, regte sich Widerstand in mir. Das neue Mantra „wurschteln“ also, Buzzword-Register auf und gut ist.

Ich soll meine Ziele alle Nase lang anpassen? Je nach Situation vor, zurück, zur Seite, ran? Womöglich einen Schritt vortrödeln, zwei zurück flanieren? Und das Ganze mit einem neuen Anglizismus etikettieren? Früher war Wendehals eine Beleidigung.

Stefan nimmt die Buzzword-Sense und schlägt sich mit uns durchs Dickicht.

Fazit

Effectuation bedeutet nicht, keine Pläne und Ziele zu haben. Effectuation ist schlicht nicht nötig, wenn Entscheidungen und Vorgänge planbar sind. Das sind sie immer dann, wenn sie schon erprobt sind und sozusagen gesichertes Fahrwasser vorhanden ist. Effectuation hilft hingegen in unruhigem Fahrwasser. Dann ist es richtig den Hals in alle Richtungen zu wenden und Möglichkeiten der Problembewältigung zu erfassen.

Effectuation bedeutet zudem nicht, dass Du jeden Tag was anderes machst. Die Methode hilft dann, wenn Du etwas brauchst und suchst oder nicht weiterkommst. Dann kannst Du die Perspektive ändern und statt des Nicht-Vorhandenen die Mittel sehen, die Du hast.

Effectuation bedeutet auch nicht, dass Du Deine Werte über Bord wirfst. Sie gehören zum zweiten Prinzip, dem leistbaren Verlust. Hier wird dir nämlich auch klar, was Du nicht bereit bist zu investieren.

Letztlich eine Methode, die am Freitag im Element Café bei inspiread.me dazu führte, dass 15 Teilnehmer und Stefan viel lernten und erkannten: Ungewissheiten sind zum Meistern da, die Schönheit der Chance wohnt in den Lücken von Road Maps.